Exklusion mit dem Segen des Bundesverfassungsgerichts trotz bereits damalig einschlägigem grundrechtlichem Schutz Behinderter:
Zitat:
Streichung eines Blinden von der Schöffenliste:
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 10. März 2004 - 2 BvR 577/01 - die Verfassungsbeschwerde eines Blinden gegen den Beschluss des LG Leipzig vom 7. März 2001 - 322-1/00 -, ihn von der Schöffenliste zu streichen, nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfassungsbeschwerde betraf die Frage, ob einer blinden Person unter Hinweis auf ihre Behinderung die Eignung für ein Schöffenamt in Strafsachen abgesprochen werden darf.
Zur Begründung der Streichung von der Schöffenliste führte das LG Leipzig unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 1987 (BGHSt 35, 164) aus, der Beschwerdeführer sei infolge eines körperlichen Gebrechens für ein Schöffenamt beim Landgericht nicht geeignet. Ein Schöffe müsse ebenso wie ein Berufsrichter in der Lage sein, alle ihm verfahrensrechtlich obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Dazu benötige er auch die Fähigkeit, die Vorgänge in der Hauptverhandlung umfassend optisch wahrzunehmen. An einer Augenscheinseinnahme könne ein Blinder jedoch nicht mitwirken. Zudem verlange der strafprozessuale Unmittelbarkeitsgrundsatz, dass sich ein Schöffe einen eigenen, auch optischen, Eindruck von den Verfahrensbeteiligten, insbesondere von ihren Reaktionen, ihrer Mimik und Gestik, machen könne. Diese Erkenntnisse seien einem Blinden verschlossen und weder durch einen Augenscheinsgehilfen noch durch Übermittlung seitens der Richterkollegen ersetzbar. Da die Strafprozessordnung die Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung weitgehend in die Verantwortung des Tatrichters stelle und insoweit nur eine beschränkte revisionsrechtliche Überprüfung vorsehe, müsse sie die Fähigkeit eines Schöffen gewährleisten, sämtliche - auch optischen - Eindrücke zu empfangen. Dementsprechend knüpfe § 33 Nr. 4 GVG a. F. die Eignung zum Schöffenamt an körperliche Voraussetzungen, deren Fehlen die nachträgliche Streichung eines Schöffen gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2 GVG sachlich rechtfertige.
Das BVerfG hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Es führt dazu aus:
"Die Entscheidung des Landgerichts, den Beschwerdeführer wegen seiner Blindheit gemäß §§ 77, 52 Abs. 1 Nr. 2 GVG von der dort geführten Schöffenliste zu streichen, ist von Verfassungswegen nicht zu beanstanden. Die dieser Entscheidung zu Grunde liegende Auffassung, die mangelnde Sehfähigkeit des Beschwerdeführers sei ein seine Eignung als Hilfsschöffe der Strafkammer ausschließendes körperliches Gebrechen im Sinne der §§ 77 GVG, 33 Nr. 4 GVG a. F., verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten."
Insbesondere hat das Landgericht nicht gegen das Verbot des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, Behinderte zu benachteiligen, verstoßen. Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG will den Schutz des allgemeinen Gleichheitssatzes für bestimmte Personengruppen verstärken und der staatlichen Gewalt insoweit engere Grenzen vorgeben, als die Behinderung nicht als Anknüpfungspunkt für eine benachteiligende Ungleichbehandlung dienen darf (vgl. BVerfGE 85, 191 <206>; 96, 288 <302> sowie BTDrucks 12/6323, S. 12). Das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG gilt jedoch nicht ohne jede Einschränkung. Fehlen einer Person gerade wegen ihrer Behinderung bestimmte körperliche Fähigkeiten, die unerlässliche Voraussetzung für die Wahrnehmung eines Rechts sind, liegt in der Verweigerung dieses Rechts kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot. Eine rechtliche Schlechterstellung Behinderter ist danach zulässig, wenn behinderungsbezogene Besonderheiten es zwingend erfordern (vgl. BTDrucks 12/6323, S. 12 sowie BVerfGE 85, 191 <207>; 99, 341 <357>). Diesem Maßstab wird - nach Auffassung des BVerfG - die angegriffene Entscheidung gerecht. Das Landgericht habe dem Beschwerdeführer die Eignung für das Schöffenamt in einer Strafkammer nicht deswegen abgesprochen, weil er behindert sei, sondern weil ihm eine bestimmte körperliche Fähigkeit, die Sehfähigkeit, fehle, die nach Ansicht des Gerichts unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung eines solchen Amts sei. Die Streichung des Beschwerdeführers von der Schöffenliste erfolgte also nicht ohne sachlichen Grund. Vielmehr habe das Landgericht sie vorgenommen, um einer behinderungsbedingten Besonderheit Rechnung zu tragen.
Zu dieser Entscheidung ist festzustellen: Das BVerfG hat sich darauf gestützt, dass das Landgericht den Beschwerdeführer nicht wegen seiner Blindheit vom Schöffenamt ausgeschlossen habe, sondern weil es das Sehvermögen als unabdingbare Voraussetzung für die Wahrheitsfindung im Strafprozess betrachte. Das BVerfG hat sich bedauerlicherweise nicht mit der Frage befasst, ob sich ein Blinder auf Grund der verbliebenen Restsinne und durch den Einsatz spezieller Techniken (z. B. Anfertigung taktiler Pläne) ein zutreffendes Urteil zu bilden vermag. Eine solche Nachprüfung hätte zu einer anderen Entscheidung führen können.